13.02.2006

Bloghütte im Wald

Die folgenden Begebenheiten sind wahr und aus dem Leben gegriffen.

Ich bin unter anderem ausgebildeter Forstwirt. Staatlich geprüfter Waldfacharbeiter nennt sich das. Nein, nicht der Typ der mit dem Dackel durch den Wald rennt und die Flinte über der Schulter trägt. Das ist Herr Doktor Meier von den Vereinigten Stahlwerken der, total naturverbunden, seiner Leidenschaft des Tötens frönt. Auch nicht der Typ mit Gamsbart am Hut der in grünen sauberen Klamotten herumläuft. Das ist ein Forstingenieur. Richtig gelesen. Revierförster sind Forstingenieure. Das bin ich nicht.
Ich wollte gerne einer werden, damals, als ich noch voller Enthusiasmus steckte.
Ich war einer der Typen deren Futterkosten hoch sind und die dumm und stark zu sein haben. Mmmhhh. Okay, Dumm nun wieder auch nicht. Aber stark. Der durchschnittliche Leistungsumsatz eines Forstwirts beträgt 4-5000kcal am Tag. Leistungssportlerniveau.

Der mit der Motorsäge war ich. Man erlebt im Wald eine Menge Geschichten. Sollten sie also Bloghütte lesen dann kommt bestimmt hin und wieder auch eine Geschichte aus dem Wald.

Fangen wir mit der Lehrzeit an. Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Nirgendwo gilt das so wie im Wald. Forstbetriebsbeschäftigtengruppen nennt man „Rotten“. Spätestens wenn sie sehen, wie man sein Mittagsessen zu sich nimmt, oder wo eine der Gruppen gearbeitet hat, wissen sie woher die Bezeichnung kommt. In diesen Rotten gibt es Haumeister. Eigentlich sollte diese Bezeichnung von Holzhauen oder Holzeinschlagen abgeleitet werden. In meinem speziellen Fall bekam der Begriff noch eine andere Bedeutung. Meine Oberschenkel hatte in den ersten Wochen der Lehre eine Regenbogenfärbung. Das ist die erste Lektion in Sachen Baumartenkunde: Ebereschenholz ist langfaserig und sehr dehnbar und elastisch. Und schmerzt höllisch. Besonders wenn es kalt ist.

Wenn sie mal ein Rohr in die Hand nehmen oder das Lenkrad….umgreifen sie dann auch mit dem Daumen? Oder liegt der Daumen eher im rechten Winkel abgespreizt daneben auf? Im Wald nennt man so was den Affengriff. Der könnte dazu führen, dass, wenn die Säge hochschlägt, die Kettenbremse nicht funktioniert, weil sie das Gerät nicht fest im Griff halten. Jede weiterführende Erklärung beinhaltet Schmerz, Verstümmelung. Tod. Also zuviel für den Anfang.
Eine Lehrmethode zur Vermeidung dieses Griffes bestand bei meinem Ausbilder darin, dass er mir mit dem Ebereschenast auf den Daumen hieb. Im Winter mit eiskalten Fingern ist die Leitfähigkeit von Nerven auf Supraleiterniveau. Es schmerzt höllisch.

Mein Ausbilder verglich den Umgang mit der Motorsäge mit dem Umgang, den man mit Frauen hat. Ist man zu übermütig, bringt sie (die Frau…oder die Säge)einen um. Ist man zu ängstlich, bringt sie einen auch um. Respektvolles Verhalten ist der richtige Weg.

Das Tragen der Handschuhe wurde auch unter Zuhilfenahme der weiblichen Wesen akzeptiert. Wenn man Schwielen in Jugendjahren als sehr männlich ansieht, dann helfen Arbeitsschutzbestimmungen nicht viel. Was aber hilft ist die Visualisierung der schwieligen Hände auf der nackten Gesäßhaut der Freundin und ihre Reaktion darauf. Fortan trug ich Handschuhe.

Nun gehörte ich zur elitären Klasse der Waldmenschen. Leute die im Wald arbeiten sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Man erkennt sich unter einander. Gut, jeder andere erkannte spätestens zur Weihnachtszeit auch wo ich arbeitete, wenn ich mich mit dem selbst geschlagenen Weihnachtsbaum in den Bus quälte. Oder im Sommer an meinem Geruch.
Diese verwegene Mischung aus purem Männerschweiß(eines 16-18jährigen), 2-Takter-Benzin, Kettenöl aus Raps und Harz hatte durchaus ihre Vorteile. Nach ca. 5 Minuten gehörte mindestens eine Bankbreite im Bus mir alleine.
Aber sonst ist man unter sich.
Wer im Wald arbeitet betreibt Naturschutz par excellence. Wenn die ganzen BUND/NABU/GREENPEACE/ROBIN WOOD’ler gewusst hätten, dass wir für jeden abgeschnittenen Baum min. 12 neue im Frühjahr darauf pflanzen und es in Deutschland seit 1850 ca. keinen Urwald in Deutschland mehr gibt, hätten wir …..weniger Spaß gehabt.
Stellen sie sich einen Aktivisten vor, der sich an eine Buche gekettet hat und sie bereiten ca. 1m neben ihm die Fällung vor. Spätestens, wenn er sich einem Motorsägenblatt mit 1m Länge gegenübersieht, das an einer 10.5kg Motorsäge hängt die mit einem Ruck und dem beherzten Lächeln eines 100kg-1,84m großem Kerl angezogen wird, der unrasiert und durch seine Schutzkleidung noch martialischer aussieht, wissen sie was Machtausnutzung in kleinem Rahmen bedeutet. Da kommen tiefste Urmenschenverhaltensregeln wieder ans Licht.
Apropos Bürger…oder Spaziergänger. Wenn sie die Leute reden hören, dann hat jeder von denen schon mal einen Baum abgeschnitten.
Halten sie sich das vor Augen. Da vergleicht jemand seinen auf 2,50 m gehaltenen Lebensbaum im Garten mit einer 180 Jahre alten Eiche, die 30m hoch ist und einen Durchmesser am Fuß von 1,20 m hat. Ist dasselbe. Für ihn.
Einfachstes Mittel ist in so einem Fall: Sie drücken dem Protzer die Fällsäge in die Hand und bitten ihn, sie an seiner Weisheit und seinem Können teilhaben zu lassen.
Folgende Reaktion kommt:
1. stürzt er kurz nach vorne, weil so eine Fällsäge etwas mehr wiegt als seine 2kg Elektrosäge.
2. bekommt er einen hochroten Kopf.
3. hat er gerade spontane fürchterliche Rückenschmerzen und könnte sich seine Ausgehkleidung beschmutzen.

Kurz darauf wird sie dieser nette Zeitgenosse verlassen um einem wichtigen Termin nachzukommen.

Waldmenschen sind gemütliche Zeitgenossen. Wir hatten im Blog…Verzeihung, Blockunterricht einen Lehrling aus der Eifel den wir herzlich Balou nannten.
Eine Seele von einem Mensch. Nicht aus der Ruhe zu bringen. Statur wie ein Bär. Panische Angst vor der Motorsäge. Sie lesen richtig. Ein angehender Forstwirt hat Angst vor der Motorsäge. Balou (ich habe leider nie seinen richtigen Namen erfahren dürfen) war die Retroversion der Waldarbeit von vor der Entwicklung der Motorsägen.
Eine Maschine im Umgang mit der Axt und dem Spalthammer oder der Handsäge. Aber wimmerte wie ein kleiner Hund wenn er an die Motorsäge oder Motorsense musste.
Sorgte für Arbeit bei dem Hausschreiner der Waldarbeitsschule als ihn drei seiner Mitschüler zu sehr reizten. Zwei konnten vor Ort verarztet werden, der Dritte wurde aus den Wandschränken (massive Kiefer) gepult, um dann im Krankenhaus versorgt zu werden.
Irgendwann hörte ich, dass Balou sich mit der Motorsäge in den Oberschenkel geschnitten hatte und nun lieber auf dem väterlichen Hof als Landwirt arbeitete.
Sehr viele Forstwirte sind auch Landwirte. Oder Söhne von Landwirten. Wissen sie übrigens wie man Landwirtschaftliche Azubis nennt? Mistgabelstudenten. Deren Tagesablauf sieht dann so aus: Morgens um 4 raus Kühe melken und Stall misten. Um 6 Frühstücken und ab in den Wald, Akkord bis mittags um 12. Dann ist die maximale Verdienstgrenze erreicht und es wird noch kurz ein Bier im Bauwagen getrunken. Dann ab nach Hause wieder auf dem Hof helfen. Im Sommer ist Feierabend um 23.00. So geht das Jahr und Tag.
Stellen sie sich diese Jugendlichen vor, die dann zum Blockunterricht müssen.
Das ist kein Lernen für die. Das ist URLAUB für diese Jungs. Das Bier kostete damals in der Kantine 1 DM. Also pro Flasche. Der Hausmeister, der sich um die Kantine abends kümmerte freute sich wenn die Sauerland und Eifelabteilung einrückte. Nur die Küchenchefin schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wenn wir ankamen. Jungs im Erwachsenwerden bei extrem guter körperlicher Auslastung vertilgen Mengen. Und abends ging es meist noch in die nahe gelegene Innenstadt von Neheim-Hüsten
Mein Mitschüler aus Bochum (ich wollte auch nicht glauben, dass Bochum Wald besitzt, war aber anscheinend so) war Marke Hemdchen. Ein Knochenflugzeug. Der Typ Mensch, der mit Wonne 10 Kilo Pommes Frites mit Currywurst und als Nachtisch 10 Tafeln Schokolade wegputzt. Und nicht zunimmt. Wenn der zum Röntgen musste, stellte der Arzt eine starke Lichtquelle hinter ihm auf.
Wenn ich das fett gedruckte der Bildzeitung lese und an einer Tafel Schokolade rieche, habe ich 3 kg mehr auf der Waage. Die Welt ist ungerecht.
Dieser Kollege bestellte sich nach dem Abendbrotexzess bei dem ortsansässigen Fettschmied direkt noch eine Currywurst-Pommes. Extra Scharf. Beim ersten Testen verlangte er einen Currypulvernachschlag. Beim zweiten Testen, wobei die Currywurst unter einer gelben Pulverdecke verschwunden war, verlangte er einige Spritzer Tabasco. Beim dritten Testen und des darauf folgenden Bestreichens der Wurst mit den letzten Sambal Olek Vorräten des Imbissbudenbesitzers war er dann zufrieden. Ich roch kurz daran und bestellte direkt ein Wasser und noch eine Serviette für meien tränenden Augen.
Ein lustiges Völkchen die Waldarbeiter. Hart. Erbarmungslos stark. Genügsam ab einer Menge von 500gr Joghurt, 6-8 Schnitten Brot, evtl. noch einen Henkelmann. Und das nur fürs Frühstück. Nein , Spaß beiseite. Die Portion verteilte sich über den gesamten Arbeitstag. Abends gab es ja noch warme Küche. Will hier ja nicht übertreiben.
Und philosophisch.

……to be continued

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