12.02.2006

Nervenheilanstalt Blog A

Blogschokolade
Hallo Leser

Kennen sie Onlinegames? So genannte Spiele die sie komplett nur online spielen können?
Nicht? Dann tauchen sie mit mir in die wundersame Welt der Onlinespiele ein.

Onlinespiele sind legale Suchtmittel. Soviel steht schon mal fest. Warum?
Ganz einfach. Sie brauchen Zeit. Sie tauchen in fremde Welten ab. Sie brauchen Geld. Sie wollen immer neue Ziele erreichen, für ihren Pixelavatar. Dafür brauchen sie Zeit. Und Geld natürlich. Geld für bessere Hardware. Geld um ihrer Figur neue Pixelsachen kaufen zu können. Um das Geld zu bekommen brauchen sie wieder Zeit. Zeit, die woanders abgezweigt wird. Bei der Nahrungsaufnahme zum Beispiel. Oder bei zwischenmenschlichen Kontakten.

Jedenfalls bei realen zwischenmenschlichen Kontakten. War zumindest so. Aus der wunderbaren Welt der Ego-Shooter-Spiele ist mittlerweile auch eine Neuerung zu den Onlinespielen gelangt die eigentlich den Anspruch einer Fantasy-Welt hatten. Kommunikation per Mikrofon über das Internet. VoIP genannt. Mittlerweile auch groß im Kommen bei der Telekommunikation. Kostenloses Telefonieren mit Neuseeland zum Beispiel. Das Web macht’s möglich.

Aber ihre anderen realen Kontakte gehen ihnen flöten. Weil sie Zeit brauchen. Und Geld natürlich.
Spätestens wenn der beste Freund die Augenbraue hebt, wenn sie ihm erzählen, dass sie 4 Stunden damit verbracht haben einem Pixelkonstrukt den Garaus zu machen, sollten ihre Alarmglocken angehen. Die wurden aber von dem Serotonin, was das Onlinespiel erzeugt hat, längst in dicke Watte gepackt und mit schalldichten Kästen ummantelt.
Also genau die Vorgehensweise im Körper, die durch Rauchen/Alkohol/Drogen entsteht.

Dafür haben sie andere Kontakte geschlossen. Zum einen Teil mit Leuten, die sie gerne kennen lernen wollen. Die sie vielleicht auch vorher gerne in einer Kneipe kennen gelernt hätten. Doch das wäre ja alles zu schön, wenn es nicht auch noch die Kehrseite geben würde. Es muss ja für alles ein Gegenteil geben.
Sie haben nun auch Kontakt zu den Leuten die sie immer belächelt haben.
Können sie sich noch an den Typen erinnern, der früher in der Schule immer über den Schulhof getreten wurde? Oder der allein, oder mit anderen seiner Art, abgekapselt in einer Ecke stand? Die ….Sonderbaren….?
Ich meine nun nicht die Typen die sich hervorgehoben haben durch extraordinäre Kleidung oder Frisuren. Die „Coolen“, die sich der Gemeinschaft eher beigefügt als angeschlossen haben. Ich meine die Jungs die beim Anblick von Mädchen in Turnkleidung rot wurden. Genau, die Streber. Die Uncoolen. Die Agoraphoben. Durchaus intelligent was den IQ betrifft. Aber zu verklemmt, was den Umgang mit Menschen betrifft.
Die Art von Mensch die tote Materie lieber hat, weil diese berechenbar ist.
Ich spreche nicht von den Leuten mit Physik LK.
Nein, gemeint ist der Klassenauswurf. Der Prügelknabe, den es in jedem Jahrgang gibt.
Diese Leute laufen ihnen nun zuhauf über den Weg.

Für diese Leute ist eine Plattform geschaffen worden. Das Internet, bzw. die Internet- oder Onlinespiele.
Solche Leute lernen sie dort auch kennen. Am Anfang betreten sie diese Welt, weil sie zuviel Zeit haben. Oder weil ihnen die Spiele, die sie bisher spielten, irgendwann langweilig geworden sind. Sie wurden angefixt und haben es nicht gemerkt. Sie hatten Ihre erste Zigarette, Ihren ersten Vollrausch, haben Ihr erstes Bier zum Einschlafen getrunken.
Sie sind drauf.
Sie lernen als Erstes Menschen kennen, die so sind wie sie. Dann aber irgendwann haben sie unausweichlich Kontakt zu der Art von Leuten die sie auf der Straße nicht einmal wahrnehmen würden.
Diese graue gesichtslose Masse die sich selbst einredet, sie wäre schon etwas.
Nun muss ich voraus schieben, dass ich zu den Menschen gehöre, die gerne noch mal 18 wäre mit dem Wissen von heute und dann was ändern würde, aber zu den Peinlichkeiten und Fehltritten steht die sie begangen haben. Man hat Mist gebaut und steht dazu. Der Kern ist aber, dass man erkannt hat, dass man Mist gebaut hat. Soweit sind diese Jungs, die ihnen dann online über den Weg laufen, noch nicht.

Neulich war ich zum Beispiel mal im Kino. Da stand eine Gruppe von Jungs herum, denen man angesehen hat, dass sie zu Mädchen bisher zum größten Teil nur Pixelkontakt hatten. Informatiker liefern Paradebeispiele ab. Wenn man diese Jungs sieht, glaubt man, dass Computer und das Internet nur dazu geschaffen wurden, um die Sinnlosigkeit und Leere in dem Dasein dieser Leute auszufüllen.
Ich stand mit meiner Frau in deren Nähe und konnte belauschen worüber sie sich unterhalten, während ich an meiner Riesenportion Popcorn nagte. Die Schweigeminuten bei den 6 Jungs wurde kurz unterbrochen durch solche Sätze wie: „Wenn ich den Treiber für die Grafikkarte Opensourced bekommen würde, dann….“ Eine unauffällige Beobachtung zeigte, dass sie alles Studenten sein mussten, und ¾ der Truppe bekam die Klamotten noch von Mami ausgesucht. Mit 24. Das war das geschätzte Durchschnittsalter.

Auch als Stereotyp fällt mir auf, dass diese Jungs anscheinend gerne Heavy Metal hören. Oder Gothic. Während die Depressiven allerdings durchaus zum großen Teil noch stylisch wirken in ihren Spitzenhemdchen und Lederhosen, sehen Heavy Metalfreaks meistens so aus:
Lange ungewaschene ungepflegte Haare
Verwaschenes T-Shirt mit Aufdruck einer Lieblingsband. (gibt es die schon so zu kaufen?)
Schwarze Jeans (auch verwaschen)
Converse Turnschuhe oder eine andere Marke, egal, Hauptsache…ausgetreten.
Im Winter wird das Ganze noch mit einem schwarzen Ledermantel abgerundet. Wenn viele von denen wüssten, das schwarze Ledermäntel zu einer andere Zeit von Leuten getragen wurden, die die heutigen Träger eingesperrt hätten. Nun sie wollen auffallen. Das schaffen sie. Allerdings eher in Richtung Lachattacke. Nichts sieht jämmerlicher aus, als einer von denen in schwarzen Ledermänteln.
Nun habe ich an Fans dieser Musikrichtung nichts zu bemängeln. Ich mag die Musik leider nur im Heavy Modus und hör auch gerne im Auto mal Iron Maiden oder ähnliches.

Kommen wir zurück zu der besagten Kinotruppe.
Alle hatten von Gesichtspflege bestimmt schon einmal gelesen. Auch das es andere Nahrung als Maggi/Knorr/Iglo – Convenience gibt. Aber die tatsächliche Umsetzung war anscheinend eins der großen Mysterien dieser Welt für sie.

Sie gehörten zur dritten Schulhofkategorie. Die erste ist die Gruppe Jungs, um die sich alles schart. Die Macher und ihr Hofstaat. Sie werden beim Sport als Mannschaftsführer eingeteilt. Das ist ein Naturgesetz. Die Platzhirsche. Dann gibt es die Skurrilen. Das sind die Klassenkaspare und sonstige Exoten. Zu meiner Zeit gehörte ich in diese Kategorie. Ein Dasein außerhalb der Norm aber noch gut innerhalb der Grenzen der Akzeptanz der Rudelführer. Man hatte Respekt vor dem Psychobilly mit seinem Haarstrahlenkranz, oder mich gerne als Stimmungsmacher dabei.


Dann gibt es die dritte Kaste. Die Paria’s der weiterführenden Schule sozusagen. Entweder gezeichnet durch körperliche Schwächen wie extreme Dicke oder Dürre, oder dicke Brillengläser oder extrem viele Pickel oder alles auf einmal. Nicht missverstehen, das Äußerliche machte gerade mal einen 10% Anteil an ihrem Ausgestoßensein. Die anderen 90% waren das Verhalten. Das kapieren diese Leute bis heute nicht.

Didi Hallervorden sieht auch nicht aus wie Adonis, aber sein Verhalten ist akzeptabel und respektabel. Als Clown spielt er seine Schwächen in Stärken aus. Aber diese Jungs hielten sich schon für die Ausgestoßenen. Und bevor der Sozialpädagoge in ihnen nun aufschreit: Jeder bekommt das was er ausstrahlt. Das ist auch so ein Naturgesetz.

Und genau da setzt die Computerwelt an. Diese Welt wurde von Leuten geschaffen, die in den 70ern über den Schulhof gejagt wurden für alle nachfolgenden Generationen von Sozialnieten. Nennen wir sie computerisch korrekt: Nerds
Endlich hatten diese Nerds ihre Bestimmung gefunden. Wer schon sonst nicht viel kann, konnte sich nun damit beschäftigen, eine Figur aus Pixeln zu einem Übermenschen zu machen. Und aufgrund des WorldWideWebs konnten diese Menschen auch Kontakt zu weiblichen Menschen erhalten. Ich habe mir mal aus Spaß eine weibliche Figur geschaffen in dieser Welt und habe seitdem tiefsten Respekt vor Frauen die sich dieser Meute freiwillig aussetzen.
In dieser Welt entwickeln sich Diktatoren und massenmordende Möchtegern-Hulk’s. Endlich können sie Regeln entwerfen und finden Leute wie sie selbst, die diese Regeln befolgen. Endlich werden sie auch mal in die Mannschaft gewählt und nicht wie damals in der Schule als kümmerlicher Rest vom Sportlehrer aufgeteilt.

Auch Eltern mit heranwachsenden Kindern haben anscheinend das ruhig stellende Potential dieser Spiele erkannt. Der Sprössling quengelt nicht mehr rum, bleibt in seinem Zimmer und man hat endlich Zeit für sich selbst. Das Thema Erziehungsdefizite bei Heranwachsenden behandele ich später irgendwann mal.

Damit gelangen wir zu einem weiteren Reibungspunkt. Jung und Erwachsen haben einen Ort gefunden wo sie zusammenkommen und augenscheinlich erst einmal gleich sind. Bis einer der beiden kommunizieren will.
Können sie übersetzen was folgender Satz bedeutet? „ olololol ich hab die hart geb4sh0rt die n00bz, stopQQ plskkthxbye, geh sterben!!!!!!1111
Konnte ich auch nicht. Aber man lernt ja dazu. Dieser kleine Mann hat ihnen gerade vermittelt, daß er ihre Figur total toll getötet hat. Wörtlich übersetzt (soweit es geht) heißt obiger Satz: „hahahahahahahaha die hab ich so schnell getötet und die konnten nichts machen die Nichtswisser, hört auf zu weinen bitte, danke jetzt geht doch einfach sterben!“

Dieser Umstand des Tötens eiern Pixelfigur lässt ihn so sehr wieder in die Zeit zurückfallen als er zu Weihnachten freudestrahlend mit einer Trommel um den Christbaum rannte. Er ist jetzt der Größte. Endlich hat er etwas, was er als Erfolg verbuchen kann. Endlich gelangt er zu der Anerkennung die er jahrelang so schmerzlich vermisst hat. Und nicht nur das. Die Nerds waren auf einmal in etwas besser als die ganzen Leute von denen sie jahrelang nur gequält wurden. Sie waren besser darin, anderen Leuten die Pixel zu klauen. Nach jahrzehntelangem „Unterdrückung“ der „Coolen“ sind sie nun am Drücker.

Wenn die Plattform Spiel dann noch nicht ausreicht, um den Ruhm zu manifestieren, dann werden Foren geschaffen. Wo man sich auch noch herumtreiben kann, um Wissen anzusammeln und sich auszutauschen. In normalen Foren trifft dies durchaus zu.
Nicht so in Foren, wo sich die Onlinegemeinde trifft. Wer in die Abgründe der menschlichen Kommunikation abtauchen will sollte einmal einen Blick da hinein werfen.
Da prahlen Spieler damit wie toll ihre Figur doch ist und wie sehr sie sie mit Gegenständen und Fähigkeiten ausgestattet haben, während ihnen die Grundbedingungen der Kommunikation völlig abgehen.
Ich habe Legastheniker erlebt, die mehr Inhalt in ihren Beiträgen hatten, als so mancher Pro-Gamer der sich seitenlang über Dezimalwerte in irgendwelchen Grundstatistiken seiner Figur auslassen konnte.
Fragen sie diese Leute wofür dies wichtig ist und ob sie dadurch nun eine Gehaltsstufe höher gelangen und warum sich jemand überhaupt damit befassen sollte, oder ob man dadurch ein besserer Mensch wird, kommen folgende Antwortenschemata:

Man weint herum, weil man nur verlieren würde (man bedenke: dieser Satz kommt meist von jemandem den sie umhusten könnten, ja sie auch ganz sicher. Deren Gewichtsklasse ist entweder SuperSuperschwergewicht oder noch unter Papiergewicht)

Man hat keine Ahnung und sollte doch besser still sein (wir erinnern uns: Sobald diese Person von einer Frau angesprochen wird passiert ein hormoneller Supergau im Biorhythmus und in Gedanken hält man sich schon für heldenhaft. Das ist die Hauptzielgruppe für Kleenex und Körperlotion in unteren Körperregionen.

Man soll keine RL (Real Life)Vergleiche ziehen, da man ja schließlich in einem Internetforum ist (herrlich und der diesen Text eingetippt hat ist natürlich irgendein Protokollprogramm das automatisierte Antworten tippt, natürlich zieht man RL Vergleiche bei Leuten die als lustige Signatur schon mal: „RL? Wo kann man das herunterladen? Hab gehört die Handlung ist kacke aber die Grafik ist derHammer!“ oder tippt etwa kein Mensch am anderen Ende der Leitung.

Das war die zweite Stufe des Irrsinns bei dem David Lynch feuchte Augen bekommt und bei soviel Inspiration direkt auf Knie fällt.

Wir kommen nun zur dritten Stufe.
RL - Treffen. Die Hauptmesse des Irrsinnes.
Der ultimative Schock für die Hormone. Die Offenbarung. Welches Bild haben sie von dem gemeinen CB-Funker vor Augen.
Ist es schon richtig fies? Potenzieren sie dieses Bild 10mal und lassen sie Dadaistische Einflüsse einfließen. Herzlich willkommen auf Servertreffen.
Sie erinnern sich an den Schulhof den ich vorher beschrieben habe? NUN sind die Paria’s in der Überzahl. Ja es kann passieren, dass sie dort die Leute treffen die sie ohnehin kennen lernen wollten. Es kann. Meistens sind diese Leute aber wichtig verhindert.
Wer sich Fotos anschaut sieht auffallend wenig Frauen bei diesen Treffen. Und die, die dabei sind, sind meist schon liiert. (und darüber in diesem speziellen Moment bestimmt sehr froh)
Das liegt zum einen daran, dass die meisten Frauen keine visuellen Krücken benötigen um sich fantasievoll zu beschäftigen. Das liegt zum anderen daran, dass bei diesen Spielen der Anteil an fortpflanzungswürdigen Partnern sehr gering ist. Warum sollten sie auch ihre ohnehin schon schlechten Aussichten einen würdigen Partner zu finden, noch weiter verschlechtern.



Die Frauen die ich bisher kennen gelernt habe in solchen Spielen, waren entweder vergeben und nahmen an dem Spiel teil um wenigstens etwas Zeit mit ihrem Partner zusammen zu verbringen, oder sie waren ….nunja, eher Marke: seelisches Wrack.
Allerdings gibt es mittlerweile auch die Manga Gruppe. Sobald diese Mädels aber ihren ersten richtigen Partner haben verschwinden sie von der Onlinebildfläche.
Nun stellen sie sich die Erwartungen vor, mit denen unser Nerd zu diesen Treffen fährt.

Endlich Menschen treffen. Menschen die man nur durch ihre Pixelfigur kennt oder anhand der Stimme im Kopfhörer. Menschen, von denen er annimmt, dass er durch sie endlich Akzeptanz erfährt, die er solange nicht erfuhr. Vielleicht sogar Zugang zu den Rudelführern, egal, Hauptsache in den Akzeptanzbereich gelangen.
Und vielleicht auch…..Frauen.
Unser Nerd fährt also zu diesem Treffen und trifft? Richtig, Leute, die so sind wie er. Und wieder ist er auf dem Schulhof, denn da in der Mitte des Platzes und dort wo die Action und das Gelächter ist, da gehört er wieder nicht zu. Nicht richtig. Er spürt es und tut so als wenn es ihm nicht auffallen würde. Als wenn er nun endlich am Ziel ist. Er betrinkt sich und im Alkoholrausch werden sie alle ein kleines bischen gleich. Fast wie Online gehen. Am Tag der Abreise kann man es kaum erwarten sich wieder hinzusetzen und einzuloggen in seine Traumwelt. Sich eine neue Dosis verpassen und …verdrängen.

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